Puppentheater-Rundreise Mittelamerika 2019

 

Liebe Freundinnen, Freunde, liebe UnterstützerInnen meiner Puppentheatertour in Mittelamerika

 

Ich bin wieder in Deutschland mit vielen Eindrücken und neuen Erfahrungen, die nicht leicht in so einer Rundmail zusammen zu fassen sind.

 

Begegnungen mit Personen aus meiner Vergangenheit, der Arbeit mit pbi, peace brigades international in Zeiten der Kriege in El Salvador und Guatemala. Erfahrungsaustausch mit Menschen und Projekten, die für ein buen vivir, ein gutes Leben für alle kämpfen.

 

Im Dezember 2018 bin ich in Guatemala gelandet und nach Chiapas, Mexiko weiter gereist. Dort war ich zu den Jahrestagen des Massakers in Acteal, zum Treffen von Netzwerken der Solidarität mit den Zapatistas und zum Jahrestag des Aufstands. Bewundernswert was diese Gemeinden an Gemeinschaft aufgebaut haben, Schulen, Gesundheitszentren, Kooperativen… Die Situation in Chiapas ist aber weiterhin sehr angespannt, insbesondere im Hochland gibt es viele Landkonflikte und intern Vertriebene, viele unter ihnen gehören zu den Zapatistas.

 

 

Im Januar reiste ich weiter nach Oaxaca. Zur Feier der heiligen drei Könige bekommen die Kinder hier ihre Weihnachtsgeschenke. Bei den Kinderprojekten „Calpulli“ und „Casita“ hatte ich dann Auftritte mit meinem Puppentheater. Dann ging es weiter nach Guatemala, El Salvador, Nicaragua und Honduras. In all den Ländern hatten wir (meine Handpuppen und ich) insgesamt 90 Aufführungen für Frieden und Umweltschutz. Über 3000 Menschen, überwiegend Kinder haben daran teilgenommen. 225 Leute haben eine oder mehrere Handpuppen aus Socken gebastelt und zum Leben erweckt. In zwei Projekten hatten wir mehrtägige Workshops und ich konnte mit den Kindern kleine Theaterstücke entwickeln, die sie vor Publikum aufführten.

Wir hatten Interviews in Radio COPINH Honduras und der Kindersendung in Radio Balsamo, El Salvador, in YouTube in Corinto, Nicaragua und Calpulli Oaxaca, Mexiko.

 

Im „Esartes“ in Suchitoto, El Salvador habe ich mit Kindern, ein Theaterstück für Umweltschutz, gegen Abholzung der Bäume und gegen Vermüllung der Natur entwickelt.

 

Im „Paso a Paso“ in San Pedro Sula, Honduras nahmen wir das Lied „casa abierta“ als Grundlage für ein Theaterstück. Im Lied geht darum, ein offenes freundliches Haus anzubieten, einen Teller Essen, einen Platz zum Ausruhen. In unserer Geschichte gab es Figuren auf dem Weg in den Norden (USA) mit Hunger und Müdigkeit und andere, die das Haus für sie öffneten, „casa abierta“.

 

In 2 Fällen gab es kurzfristige Absagen. In einer Schule in El Salvador hatten Einbrecher Feuer gelegt. In einem Umweltprojekt in Guatemala gab es Probleme mit dem Wetter.

 

 San Pedro Sula wurde 2018 weltweit bekannt, da von dort die Karawanen in den Norden starteten. Die Perspektive in den Maquilas (Weltmarktfabriken) Arbeit zu finden, Landraub und Klimawandel treiben Menschen vom Land nach San Pedro Sula. Die schlechten Arbeitsbedingungen in den Maquilas, Arbeitslosigkeit und Kriminalität veranlasst die Leute in den Norden, in die USA zu flüchten. Z.B. wer sich einen eigenen Betrieb aufbaut, wird von den Banden erpresst, Schutzgelder zu zahlen. Jeder hier hat Familie im Norden und die „Remesas“ (Geldüberweisungen) helfen z.b. dabei ein Auto zu kaufen oder einen Kühlschrank. Jedoch nicht alle schaffen die Reise. Don Miguel ist in Mexiko von der „Bestia“ (Güterzug, auf dem MigrantInnen fahren) gefallen und hat beide Beine verloren. Er ist zum Glück ein geschickter Schuster, der für alle passende Schuhe anfertigt, wozu er die Beine nicht braucht.

 

Mit den indigenen Organisationen COPINH und MILPAH hatte ich die Möglichkeit, in Gemeinden aufzutreten, die um ihr Land kämpfen. Nach dem Militärputsch 2009 haben die Regierungen in Honduras Konzessionen für Minen und Staudämme, Ländereien für Exportlandwirtschaft wie Ölpalmen an nationale und internationale Kapitalisten vergeben. Der Kampf der Landbevölkerung um ihr Land zum Anbau von Grundnahrungsmitteln, zur Vielfalt und dem Schutz der Mutter Erde hat auch internationale Bedeutung. In Marcala entwickeln Kaffee kooperativen mit den Prämien des fairen Handels ökologische Projekte, vom Kompost bis zur Müllverwertung. COMSA hat eine Schule und macht Umweltbildung in öffentlichen Schulen. In einem Workshop haben wir angefangen ein Theaterstück dazu zu entwickeln.

 

Extreme Trockenheit und Sturmfluten machen den Klimawandel spürbar. Umweltschutz wird immer wichtiger. In der Küstenstadt Corinto, Nicaragua gibt es eine Städtepartnerschaft mit Köln. Jugendliche aus Köln und Corinto pflanzen hier Mangroven. Die Mangroven sind wie kleine Wälder im Meer. Sie sind wichtig für die Artenvielfalt und den Küstenschutz. Ihr Holz ist aber auch beliebt zum Kochen, weshalb es zu sehr abgeholzt wird. Daher sind Bildungsarbeit, Umweltschutzgesetze und Aufforstungsprojekte wichtig. In Corinto hatte ich das Privileg, Boots- und Triciclo- (Dreirad) Touren zu unternehmen und nachmittags gab ich Aufführungen und Workshops zum Puppentheater und Puppenbau. Eine große Aufführung hatten wir dann auf der Plaza im Zentrum.

 

  Über Politik zu sprechen, ist in Nicaragua schwieriger geworden und ich wollte auch niemanden gefährden. In den 80er Jahren erlebte ich dort großen Enthusiasmus der sandinistischen Revolution. Einige Errungenschaften, wie Schule und Gesundheitsversorgung werden weiterhin wertgeschätzt. Die Demonstrationen 2018 und die Repression zeigten ein anderes Gesicht Nicaraguas. Nur in privaten Kreisen konnte ich dies ansprechen und bekam teils unterschiedliche , teils ähnliche Antworten. Besonders schlimm war es in Jinotepe z.b. “Monatelang haben die Barrikaden uns den Weg versperrt, es war schwer zur Arbeit zu kommen oder einzukaufen, sie waren gewalttätig, bewaffnet, bezahlt aus dem Ausland…” oder “die Proteste waren zu Recht denn die Regierung erhöhte die Sozialabgaben und kürzte die Renten, die Frau von Ortega und ihre Familie sind besonders korrupt…” “die Regierung hat Paramilitär eingesetzt auf die Barrikaden zu schießen…” Es werden Neuwahlen gefordert aber die Bedingungen für einen offenen Wahlkampf müssen geschaffen werden. Regierungsgegner sind im Gefängnis oder im Ausland. Konsens aber scheint mir, die Menschen wollen nicht nochmal die Gewalt von 2018 erleben.

 

Die Migration in den Norden, USA, ist hier lange nicht so stark wie in den Nachbarländern, und wenn die Leute Nicaragua mit anderen Ländern Mittelamerikas vergleichen höre ich immer wieder. “hier leben wir ruhiger, sicherer… können jederzeit auf die Straße gehen ohne überfallen zu werden… ”.

 

Armut und Gewalt sind tägliche Probleme. Ein paar persönliche Geschichten. Eine Frau in Guatemala verkaufte Tortillas. Die Banden haben sie erpresst und sie ist in einen anderen Ort geflüchtet. Einer ihrer Söhne wurde erschossen, den anderen schickte sie zum Onkel in die USA, der nun hochverschuldet ist um den Schlepper zu bezahlen. Ein Freund in El Salvador hatte einen kleinen Laden und wurde von Kindern erpresst. Ein paar mal bezahlte er dann flüchtete er mit seiner Familie aufs Land. Dort litten sie große Armut.

 

 Im Kinderzentrum El Zaite, El Salvador hängen nebeneinander zwei Fotos von Verschwundenen. Eine Frau die in den 80er Jahren Kinder aus dem Krieg rettete und vermutlich vom Militär ermordet wurde. Ein Junge der studieren wollte und sich den Banden verweigerte wurde im vorigen Jahr verschleppt. Dies sind nur ein paar Beispiele.

 

Die Reise mit der Puppenbühne bringt mich aber auch an friedlichere Orte. Insbesondere in den Gebieten mit traditionell revolutionärer Präsenz der FMLN in El Salvador. Viele Menschen flüchteten Anfang der 80er Jahre nach Honduras. In den Flüchtlingslagern organisierten sie sich und kamen Ende der 80er zurück, mit internationaler Schutzbegleitung, auch von pbi. Andere kämpften gegen das Militär, um ihr Territorium zu verteidigen. Auch heute sind die Menschen hier besser organisiert, haben Museum und Wandgemälde, um die Geschichte nicht zu vergessen. Sie haben Organisationen für Kinder, Jugendliche und für Alte und arbeiten viel mit Kunst, Theater etc. Es gibt weiterhin Partnerschaften und Austausch, z.B. mit Solidaritätsgruppen in den USA und in Deutschland, wie das Welthaus Bielefeld mit dem Ort Guarjila, Chalatenango. Auch in diesem Kontext ist das Puppentheater sehr willkommen.

 

Wieder in Guatemala sind wir zum 7. Jahrestag des Widerstands gegen die Mine in La Puya. Wenn hier Gold und Silber gefördert wird, wird das Trinkwasser knapp und vergiftet. Deshalb der Widerstand, eine schon 7 jährige Mahnwache und Blockade gegen die amerikanische Minengesellschaft „Kappes, Cassiday & Associates“. Diese wiederum verklagt den Staat Guatemala zu hohen Geldstrafen, falls sie die Mine nicht ausbeuten können.

 

Ich habe auf dieser Reise Menschen getroffen, die mit Freude und Enthusiasmus arbeiten, für ein buen vivir, ein gutes Leben für alle. Ob im revolutionären Kampf oder durch Parteipolitik, in lokaler Politik oder in kleinen Projekten, im Widerstand gegen Zerstörung. Es gibt, glaube ich, nicht nur einen richtigen Weg. Vielleicht müssen da viele Wege zusammen finden. Auch hier sind es wieder die kleinen Beispiele, Geschichten von Menschen. Die Mädchen, die vor den Schlägen ihrer Onkel in die Stadt geflüchtet sind, im Kinderhaus ein Zuhause und über die Schule „EDELAC“ eine Ausbildung fanden. Ein Mädchen, das mit Behinderung geboren, von einem spanischen Arzt gefunden wurde, im Internat der katholischen Schwestern lebt und Medizin studieren will. Die Jugendlichen, die soziale Arbeit in ihrer Schule tun. Ich freue mich, ihre Freude und ihren Stolz, den sie auf ihre Projekte haben, zu sehen.

 

Ein Schwerpunkt meiner Reise waren auch Aufbau und Unterstützung von Partnerschaften. Eine Schulklasse der Schule „EDELAC“ mit einer Klasse in Berlin. Beeindruckend wie liebevoll Kinder an Kinder Briefe schreiben, die sie persönlich gar nicht kennen.

 

Dann die Mädchen im Internat in Chichicastenango. Früh um 5:30 hatten wir einen lifechat mit Jugendlichen in Plauen, Thüringen über das Programm „Chat der Welten“ von Engagement Global, BtE. In Deutschland war fast Schulschluss und in Guatemala endete der Chat mit dem Frühstück, es sind sieben Stunden Zeitverschiebung.

 

In Corinto führte ich Interviews mit Kindern und Jugendlichen für einen Austausch mit SchülerInnen in Deutschland. Ich wünsche mir in Deutschland weitere Schulklassen zu finden, die Lust haben im „Chat der Welten“ diese Kontakte zu nutzen.

 

Und dann ganz wichtig die schon Jahre bestehende Partnerschaft des Kinderzentrums „El Zaite“ mit dem Kindergarten „Villa Anna“ in Berlin.

 

Am Ende meiner Reise besuchte ich AFOPADI, ein Projekt für buen vivir, für gutes Leben in einer ländlichen Region in Guatemala. Umweltbewusstsein, Bildung und auch praktische Dinge wie Landwirtschaft und Wasserversorgung, alles gehört zusammen. In Chiapas erlebe ich die Zapatistas im Aufbau der Autonomie des buen vivir, ohne irgendein Geld vom Staat zu nehmen. In anderen Ländern wiederum wird versucht ,den Staat in die Pflicht zu nehmen. Ich habe viele Menschen getroffen, die langfristig für ein buen vivir arbeiten. Mein Puppentheater soll hier ein kleiner Samen sein im riesigen Feld dieser Bewegungen.

 

Der Rundbrief ist lang geworden und zeigt doch nur einen Ausschnitt aus diesen drei Monaten intensiver Erlebnisse und wer da mehr erfahren will, kann mich zu Veranstaltungen einladen. Ich danke allen, die diese Reise unterstützt haben. Unterwegs empfand ich es immer wieder als ein Privileg, einen solchen Freiwilligendienst zu machen und mich mit vielen Menschen zu treffen und Geschichten und Visionen von ganzem Herzen miteinander zu teilen.