Rundreise 2024 - Guatemala

Brunis Schule

Ich war etwas nervös, nach 5 Jahren mal wieder zu fliegen. Und der billigste Flug über USA, extra ein ESTA Visum beantragen etc. Aber alles ging gut. Sylvester früh los und Abend schon da. Bruni und Jorge holten mich am Flughafen in Guatemala ab und wir konnten zusammen Sylvester feiern. Die erste Zeit verbrachte ich in der Schule Kinderchance Handwerk. Bruni, eine deutsche Frau, finanziert ihre Schule durch Schulgeld der Kinder, und zum allergrößten Teil durch Spenden aus Deutschland. Dazu gehören auch Sachspenden die sie jahrelang immer in Containern rüber schaffte. Klassenräume mit Stühlen und Tischen aus deutschen Schulen bis hin zum Klavier das ihr Mama Erika vererbt hat. Hier baute ich dann die Puppenbühne. Die Schule hat fast 500 Kinder von Kindergarten bis Abitur. Für diejenigen die wenig Geld haben sucht Bruni Becas (Stipendien oder Patenschaften). Das Gelände der Schule ist groß und hat auch einige Wohnräume, so das ich ein eigenes Zimmer bekam. Bruni hat viele Sorgen das alles zu finanzieren. Der letzte Container hing lange im Hafen fest und es war teuer ihn heraus zu bekommen. Dann ist da die Zahnarztklinik und dann noch Maria, eine neue Angestellte mit einem dreijährigen Kind, die eine Beca braucht, damit sie hier arbeiten und der Kleine in die Kita gehen kann. Für 20 Euro im Monat lässt sich dieses kleinste Problem schon lösen. Bruni stellte mich mit Maria vor. Maria nutzte eine Pause um ihren Sohn David zu holen und mir vorzustellen. So wurde ich Patin.

Zwischendurch fuhr ich in die Hauptstadt, alte FreundInnen wieder zu sehen und neue Kontakte zu knüpfen, z.b. pbi zu besuchen, meine Reise zu planen und aber auch den Planton zu besuchen (info folgt). Guatemala ist in besonderer Weise interessant.

Guatemala und der Frühling

Primavera bedeutet Frühling. In Guatemala hat primavera eine besondere Bedeutung. Seit der Entdeckungs- und Eroberungskriege durch das spanische Königreich, der Einwanderung von Menschen aus Europa die das Land privatisierten haben die indigenen Völker viel zu leiden. Fruchtbarstes Land wurde zu Kaffee, Baumwoll, Zuckerrohr oder Bananenplantagen. Ob deutsche Kaffeebarone oder US Konzerne wie united fruit company, Chiquita Bananen... Indigenas wurden zu Sklaven, ja oft wirklich in Zwangsarbeit. 

 

Es gab einen demokratischen primavera von 1944 bis 1954. Die Präsidenten Arevalo und Arbenz erreichten wichtige demokratische Reformen, auch Ansätze einer Landreform. Die primavera wurde zerstört durch einen von der CIA, USA unterstützen Militärputsch. Darauf folgten blutige Jahre von Militärdiktaturen, von Guerrilla und Bürgerkrieg... von Massakern, politischer Verfolgung, politisches verschwinden lassen, Flucht... 

Seit 1983 gibt es peace brigades international, pbi in Guatemala. Ich selbst war von 1990 bis 94 immer wieder Teil des pbi Teams. Es waren spannende Zeiten, demokratische Freiraume wurden erkämpft, wie z.b. die Rückkehr von Geflüchteten. pbi konnte durch schützende Begleitung dazu beitragen. 

1996 wurde der Bürgerkrieg mit Friedensverträgen beendet. 1999 zog sich pbi zurück, wurde aber bald wieder gerufen und ist seit 2003 wieder im Land.

pbi schreibt dazu: "Das Jahr 2023 war in Guatemala in vielerlei Hinsicht ein sehr bedeutendes Jahr. Der fortschreitende Abbau von Rechtsstaatlichkeit, die Präsidentschaftswahlen im Juni bzw. August sowie auch die zunehmende Gefährdungslage für MRV prägten das Leben der Menschen in Guatemala und die Arbeit von pbi. 

 

Durch den überraschenden Wahlsieg von Bernardo Arévalo im August, der sich im Wahlkampf insbesondere der Korruptionsbekämpfung verschrieben hatte, befand sich das Land in der zweiten Jahreshälfte in einem Ausnahmezustand. Menschenrechtsorganisationen und kleinbäuerliche Verbände riefen zu einem Nationalstreik in ganz Guatemala auf und forderten bei Demonstrationen den Amtsrücktritt der Generalstaatsanwaltschaft, die Anerkennung des Wahlsiegs von Arévalo und seiner Partei „Movimiento Semilla“ sowie die Freilassung inhaftierter Staatsanwält:innen, Justizbeamt:innen, Journalist:innen und MRV. Viele von pbi begleitete Organisationen setzen große Hoffnung in Arévalo aufgrund seines Versprechens, gegen die fortschreitende Untergrabung des Rechtsstaats und die Aushöhlung der Menschenrechte vorzugehen. 

 

Darüber hinaus waren im Jahr 2023 auch die Folgen des Klimawandels in Guatemala immer stärker zu spüren. Viele von pbi begleitete Organisationen berichteten von gravierenden Ernteausfällen aufgrund von Dürreperioden und Überschwemmungen, die den lebenswichtigen Anbau von Pflanzen wie Mais und Bohnen so stark gefährden, dass viele Familien, insbesondere im ländlichen Raum, Hunger leiden."

Hoffnung auf einen demokratischen Primavera. Der pacto de coruptos, korrupte Regierung versuchte alles um seinen Amtsantritt zu verhindern, vom Verbot seiner Partei bis hin zum Eindringen der Fiscalia, Staatsanwaltschaft ins Wahltribunal um die Urnen zu öffnen. Grosse Teile der Bevölkerung, allen voran indigene FührerInnen der 48 Kantone begannen sich zu organisieren um die demokratische primavera zu verteidigen. Wochenlang waren durch Volksversammlungen Straßen blockiert. Zum Teil war es festliche Stimmung mit Sport und Musik. Aber auch Polizei und Militär wurden geschickt um die Leute einzuschüchtern und zu vertreiben. Viele riefen: “nos quitaron todos… hasta el miedo – ihr habt uns alles genommen, sogar die Angst”. Bei Protesten vor dem Kongress hielten Frauen herzhafte Reden, so das angerückte Polizisten zu Tränen gerührt waren. Der Innenminister weigerte sich den Befehl zu gewaltsamer Räumung zu geben. Dafür kam er ins Gefängnis. (wurde unter neuer Regierung wieder befreit). 106 Tage dauerte der Planton, die ständige Protestversammlung vor der Staatsanwaltschaft. Die Menschen vom Land wechselten sich ab. Aus der Stadt brachten sie Essen. Gemeinsam gab es Musik, Messen, Zeremonien und Posadas. Das alles ein spannendes Beispiel sozialer Verteidigung, gerade in Zeiten wo weltweit Militär im Einsatz ist. Die Nacht vom 14. Zum 15. Januar wurde gefeiert. Es war geschafft einen demokratisch gewählten Präsidenten ins Amt zu bekommen, ein wichtiger Schritt zu einer neuen primavera.

Verapazes und Quiche

Mitte Januar reiste ich dann für 2 Wochen durchs Land, Verapazes und Quiche. Verapazes hat das fruchtbarste Land, aber damit auch viele‚Landkonflikte. Mit der Puppenbühne kam ich in die Schule und Internat der katholischen Schwestern Dominicus in Cahabon. Dort hatte ich eine spannende Begegnung mit Karla, die Jura studiert. Sie möchte Anwältin werden um Frauen zu helfen ihre Rechte durchzusetzen. Ihr Studium wird von der Stiftung "Rückwärts und Vorwäts Denken. RUVD " finanziert. 

 

Ich traf Maria Caal, Protagonistin des Film „Dos Rios“. Ihre Familie kämpft im gewaltfreien Widerstand gegen die Entführung von Flüssen für Wasserkraftwerke. Ihr Bruder Bernardo Caal war deshalb jahrelang im Gefängnis. Durch die Entführung der Flüsse kommt es zu Überschwemmungen und vor allem zum Austrocknen, so das viele Dörfer kein Wasser mehr haben. Ich treffe noch weitere Umweltaktivisti hier in der Region. Eine Puppentheater Veranstaltung fand statt in einem Haus mit vielen Geflüchteten aus einem Landkonflikt. Die Konflikte gehen historisch bis in die Militär- und sogar Kolonialzeit zurück. Europäische Eingewanderte privatisierten das fruchtbarste Land für Kaffeeanbau, Kakao, Kardamom… neuerdings auch Ölpalmen. Die indigene Bevölkerung wurde gezwungen für sie zu arbeiten. In der 80ger Jahren, in Zeiten der Militärregierungen gab es Massaker und Vertreibungen. Nun versuchen indigene Gemeinschaften Land zurückzubekommen. Das bringt sie in Konflikt mit den Gesetzen der für Korruption bekannten Regierung. Manchmal werden sie auch durch interne Streitigkeiten gespalten, bzw. auch Spaltung ist überall eine Strategie der Mächtigen. Die Gespräche und Reflexionen zu meinem Puppentheater in solchen Landkonflikten erinnern mich an meine Zeit in Mexiko als wir dort begannen Puppentheater in Konfliktgebieten aufzuführen.

Dann ging es weiter nach Quiche. Zuerst nach Lancetillo, wo ich auch eine Schule der Schwestern besuchte. Hier traf ich mich mit jungen Frauen, die mit Hilfe von Becas RUVD aus Deutschland eine Ausbildung zu Gesundheitshelferin bekamen. Ich besuchte auch ihre Apotheken und ein staatliches Gesundheitszentrum wo sie arbeiten. Lancetillo hat einen schönen Fluss und mir wurde erzählt, das auch hier eine Firma versuchte ein Kraftwerk zu bauen. Die Bevölkerung hat sich erfolgreich gewehrt. Die Straßen sind matschig. Strom gibt es aus Solarpanelen.

 

Handys haben Empfang und auch internet. Die meisten Familien haben Angehörige in den USA.

 

Weiter gings nach Santa Cruz del Quiche, in die Schule der Schwestern mit fast 1000 SchülerInnen. In 2 Tagen hatten alle das Puppentheater gesehen. Die älteren SchülerInnen bekamen Aufgaben, die Werte und Lehren aus dem Theater herauszuarbeiten.

Dann war ich in Chichi im Internat, habe auch in der Schule mehrere Theateraufführungen gemacht und mit Mädchen und jungen Frauen gesprochen die Becas von RUVD bekommen. Besonders hat mich Lesly beeindruckt. Ihre Mutter starb an Krebs als Lesly 11 Jahre war, der Vater an Alkohol als Lesly 15 war. Sie will Krankenschwester werden. 

 

Dann gings weiter nach Chimaltenango in die Maya Schule Kastajibal. Mein Besuch wurde zum Fest mit Aufführungen von Tänzen, Gedichten und Marimba und dann mein Puppentheater. Die Schule folgt der Mayakultur, viele Kinder in typischer Kleidung, mehrsprachig und ökologisch. Auch politisch sind sie aktiv, Kinder beteiligten sich am Planton in der Stadt mit ihrer Marimba.

Guatemala 2. Teil

Die öffentlichen Schulen öffneten erst gegen Ende Februar. Warum das so ist habe ich verstanden, als ich in Gegenden des Kaffeeanbaus kam. Ganze Familien ziehen in den Ferien auf die Kaffeefincas um Kaffee zu pflücken und Geld zu verdienen. Kleinbauern, ernten ihren eigenen Kaffee aber auch da helfen die Kinder mit. Viele Kinder verdienen das Geld um sich die Schule zu finanzieren. Stolz zeigte mir ein Junge seine neuen Schuhe, Schuluniform und Rucksack. Die Kinder schätzen den Wert ihrer Bildung für die sie gearbeitet haben. Leider fehlten in den Schulen einige Kinder die weiter arbeiteten statt zur Schule zu kommen.

Ich traf Maudy, eine junge Frau, Xinca Aktivistin aus den Bergen Xalapan, in Jalapa. Als wir uns das erste mal trafen war sie noch ein Kind und sie erinnert sich an mein Puppentheater, besonders an den Hasen Rodolfo. Im vorigen Jahr hatten wir sie nach Deutschland eingeladen und viele Aktivitäten organisiert. Nun organisierte Maudy meine Tour in die Berge von Xalapan. Die Kinder und Lehrerinnen in den Schulen in Tierra Blanca und La Cuchilla waren begeistert und Amismaxaj, die Organisation der Xinca Frauen wurde bekannter. Tierra Blanca und andere Dörfer leiden stark unter Wassermangel. Klimawandel ist hier sehr bemerkbar. Eine Minengesellschaft hat hier Reichtümer entdeckt und die Xinca Gemeinden wehren sich gegen die Ausbeutung der Mine. Die Frauen verteidigen ihre Umwelt und müssen sich gleichzeitig gegen den Machismus der Männer wehren. Das Puppentheater fand in 2 Schulen statt und ein workshop zum Puppenbau im Gemeindehaus. Am Schluss der kleinen Tour eine Versammlung im Haus von Maudy. 

 

Später war ich in La Puya zum 14. Jahrestag des Widerstands gegen die Goldmine. Ein transnationaler Konzern aus USA, Kanada und Guatemala will Gold abbauen. Das würde das Trinkwasser vieler Orte vergiften. Der Widerstand der Bevölkerung konnte das bisher verhindern. Nun verklagt der Konzern das Land zu Schadenersatz der erwarteten Gewinne.

Die letzte Woche dann Totonicapan in 2 öffentlichen Schulen. In beiden Schulen gab es Elternkommitees. Die Eltern organisieren auch das Schulessen. Mir wurde erzählt, es waren die Gewerkschaften der Lehrkräfte die erreicht haben das es vom Staat Lebensmittel für die Schulen gibt. Leider kommen diese bei einigen Kindern nicht an, bzw verschwinden in Korruption. Deshalb ist es wichtig das die Eltern organisiert sind. In einer der Schulen bastelten Kinder Puppen aus Papier. Diese riefen: „Die Gewalt ist nicht gut“.

Dann war ich in Quetzaltenango in der Schule Edelac. Diese Schule wird vor allem durch Tourismus finanziert. Quetzaltreckers ist eine Art Reisebüro von Freiwilligen aus aller Welt, die Touris zu den Vulkanen führen. Das Geld geht an Schule und ein Kinderhaus für Straßenkinder.

 

Weitere Theateraufführungen bei CEIPA. Sie machen Bildungsarbeit mit arbeitenden Kindern. Zusätzlich zu Schulbildung können sie auch handwerkliche Berufe lernen und bekommen, wenn nötig psychologische Unterstützung. 

Letzte Station Santiago Atitlan. Schule für Kinder mit Behinderungen. Die Schule war von Eltern gegründet worden und haben derweil eine staatliche Finanzierung für Lehrkräfte zu bekommen. Dazu ist eine Werkstatt wo Leute im Rollstuhl Kunsthandwerk herstellen. Eine mobile Schule, ein Auto mit Spielmaterial nimmt mich mit nach cerro de oro, ein kleines Dorf. Puppentheater in Nachmittagsbetreuung. Gefördert durch verschiedene internationale Organisationen. Erinnert mich an Spieltiger oder Falkenflitzer in Deutschland.

 

Die kleinste Schule, die ich besuchte,  war Colibri in der Nähe von San Lucas. Hier sind Kinder von Kita bis 6. Klasse. Sie lernen in Montessori und Waldorf Pädagogik mit Schwerpunkt auf Kunst und Musik. Das Essen ist ökologisch und vegetarisch und sie haben viel Platz zum draußen spielen. Die Eltern zahlen Schulgeld und für einige Kinder gibt es Becas von einem Pharmabetrieb. 

 

Dann war ich in Antigua, in der Privatschule Los Patojos, die auch sehr mit Kunst und Kreativität lernen. Sie finanzieren sich durch NGOs in Kanada und USA. 

Besonders spannend war dann der Besuch in San Juan Obispo am Fuße des Vulkans. Hier ist das Haus von Luis de Leon, einem Lehrer und bekannten Dichter. 1984 ist er durch die damalige Militärregierung festgenommen und verschwunden, wie über 40 000 Menschen in Guatemala. Seine Tochter Mayari war 17 Jahre alt. Aus dem Schmerz über das gewaltsame verschwinden lassen ihres Vaters, wurde sie aktiv. Um das Elternhaus herum wurde ein Museum mit Kunstschule gebaut. Die Wände sind bemalt und voller Geschichten. Sie unterrichten Kunst und Musik und haben einen großen Theaterraum. Hier konnte ich vor Kindern und Eltern Der Hase im Mond aufführen. Zuvor bekam ich eine Führung durch das Museum. Auch die vielen Touristen, die Antigua besuchen sind eingeladen das Haus zu besuchen. Die staatliche Tourismusorganisation INGUA weigert sich aber dieses Museum bekannt zu machen: „Die Touristen sollen nichts Schlechtes über Guatemala erfahren".